Logo LDI NRW

Orientierungshilfe zum Einsatz von Bodycams durch private Sicherheitsunternehmen

Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörden zu dem Einsatz von Bodycams durch private Sicherheitsunternehmen Stand: 22. Februar 2019

I. Vorwort

Auch private Sicherheitsunternehmen rüsten ihre Beschäftigten mittlerweile mit Bodycams aus. Als Gründe führen sie z.B. Schutz der Beschäftigten vor Übergriffen, Beschaffung von Beweismitteln für zivilrechtliche Ansprüche oder eine abschreckende bzw. deeskalierende Wirkung an. Dem Einsatz von Bodycams stehen allerdings datenschutzrechtliche Bedenken entgegen.

II. Eingriff in Persönlichkeitsrechte

Das Aufzeichnen von Bild und Ton mittels einer Bodycam greift in die Persönlichkeitsrechte Betroffener ein und ist rechtfertigungsbedürftig. Für unbeteiligte Dritte ist nicht ohne Weiteres erkennbar, ob eine Bodycam Bild und Ton aufzeichnet, weshalb die Möglichkeit besteht, dass die bloße Anwesenheit dieses Geräts auf sie einschüchternd wirkt. Der Einsatz an kommunikativen Orten birgt die Gefahr, dass Anwesende von ihren Grundrechten, wie beispielsweise der Meinungsfreiheit, nur eingeschränkt Gebrauch machen. Wenn mit Bodycams ausgerüstete Sicherheitskräfte Streifengänge auf einem gut besuchten Gelände unternehmen oder eine Menschenmenge durchqueren, können Anwesende unvermittelt in das unmittelbare Blickfeld der Geräte gelangen, sodass sie detaillierte Film- oder sogar Tonaufnahmen befürchten müssen. Je nach Befestigung und Verwendung der Bodycam kann es auch zu einer unbemerkten, und damit heimlichen, Videoüberwachung kommen.

Dadurch, dass sich der Blickwinkel der Bodycam ständig ändert, kann es zu einer umfangreichen Erfassung der Umgebung einschließlich geschützter Bereiche wie Sanitäranlagen oder ständiger Arbeitsplätze von Beschäftigten kommen. Wenn bereits eine Videoüberwachung mittels statischer Kameras eingerichtet ist, kann dies zusammen mit mobilen Geräten zu einer nahezu lückenlosen Überwachung führen.

Der Eingriff ist für diejenigen besonders schwerwiegend, die auf die Benutzung bestimmter Orte angewiesen sind. Auch die Trägerinnen und Träger selbst, können durch die Bodycams beeinträchtigt werden: Sie nehmen während der Beobachtung zugleich ihr eigenes Verhalten auf.

III. Datenschutzgerechter Einsatz

Ein datenschutzgerechter Einsatz der Bodycam ist an Art. 6 Abs. 1 Buchst. f Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu messen. Danach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig, soweit sie für die Wahrnehmung des Hausrechts oder die Wahrung berechtigter Interessen (1.) von Verantwortlichen oder Dritten geeignet (2.) und erforderlich (3.) ist und sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen (4.).

1. Berechtigtes Interesse / Zweck der Verarbeitung

Vor Inbetriebnahme muss eindeutig festgelegt sein, welches berechtigte Interesse bzw. welcher Zweck mit dem Einsatz einer Bodycam verfolgt werden soll. In Betracht kommt u.a. der Schutz des eigenen Personals vor Übergriffen, die nachträgliche Identifikation eines Tatverdächtigen und die Sicherung von Beweismitteln für die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche. Die Unterstützung bei der Strafverfolgung stellt kein eigenes berechtigtes Interesse für die Einführung von Bodycams dar. Die Abwehr von Gefahren und die Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist Aufgabe der Polizei; die Verfolgung von Straftaten obliegt den Strafverfolgungsbehörden. Der Zweck, ein subjektives Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürgern zu steigern, reicht allein nicht aus, einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu rechtfertigen. Videoüberwachung sollte kein trügerisches Gefühl von Sicherheit vermitteln, wo objektiv die Sicherheit nicht erhöht wird.

Der Einsatz von Bodycams kann nur zulässig sein, wenn er anlassbezogen zu Zwecken erfolgt, die im Vorhinein eindeutig festgelegt sind. Um einen zweckgebundenen Einsatz der Kameras sicherzustellen, ist vor der erstmaligen Inbetriebnahme ein Einsatzkonzept zu erstellen. Das Einsatzkonzept kann Teil einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung sein. Darin ist abschließend festzulegen, in welchen Situationen die Kameras konkret eingesetzt werden sollen und welches Verfahren dabei beachtet werden muss.

Der Einsatz von Bodycams ist beispielsweise in Situationen möglich, bei der eine Person aggressives Verhalten (körperliche Auseinandersetzung, Drohungen, Beleidigungen, etc.) zeigt oder eine Situation unmittelbar zu eskalieren droht. Nicht aggressives, passives oder nicht gewalttätiges Verhalten einer Person berechtigt dagegen grundsätzlich nicht zu einem Kameraeinsatz. Festzulegen ist auch, in welchen Räumen mit einer Bodycam gefilmt werden darf. Die Aufnahme sensibler Bereiche wie Toiletten, Sanitärräume, Umkleidebereiche, Pausen- oder Aufenthaltsräume ist auszuschließen. Um Überwachungsdruck in der Öffentlichkeit zu vermeiden, kann der Verantwortliche den Einsatz der Kameras auf Flächen beschränken, in welchen er berechtigt ist, das Hausrecht auszuüben. Um nachweisen zu können, dass ein Einsatz der Bodycam rechtmäßig erfolgt ist, sollte jeder Vorfall im Nachhinein ausreichend dokumentiert sein; mindestens mit dem jeweiligen Anlass, dem Zeitpunkt und den beteiligten Personen. Technisch-organisatorische Maßnahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten sind in das Konzept aufzunehmen.

2. Bodycam zur Zweckerreichung geeignet?

Es muss sich objektiv begründen lassen, dass der Einsatz der Bodycams zum Erreichen des Zwecks geeignet ist. Dafür ist zu fragen, ob sich der festgelegte Zweck durch die Verwendung solcher Geräte an dem jeweiligen Einsatzort und zu den jeweiligen äußeren Einsatzbedingungen tatsächlich erreichen lässt. Es ist zweifelhaft, ob das Mitführen einer Bodycam durch eine subjektiv mögliche Abschreckungswirkung wirksam verhindern kann, dass sich eine Straftat ereignet. Berücksichtigt werden muss auch eine mögliche Provokationswirkung durch die Bodycam. Außerdem können Aufzeichnungen einer Bodycam immer nur die Sicht der Trägerin bzw. des Trägers wiedergeben, weshalb der Aufklärungswert dieser Aufnahmen in besonders unübersichtlichen und schnelllebigen Situationen zweifelhaft ist. Damit eignet sich die Bodycam grundsätzlich nicht in jedem Fall zum Zweck der Aufklärung von Vorfällen.

3. Bodycam zur Zweckerreichung erforderlich?

Außerdem ist zu prüfen, ob nicht gleich wirksame Mittel zur Verfügung stehen, die weniger in die Persönlichkeitsrechte Betroffener eingreifen. In Betracht kommt hierbei, die Anzahl des Sicherheitspersonals pro Streife zu erhöhen, die Beleuchtung auszuweiten, Notfall- oder Alarmknöpfe zu installieren oder Sicherheitskräfte mit Funksprechgeräten auszustatten, damit diese im Konfliktfall weiteres Personal herbeirufen können. Eine dauerhafte und anlasslose Aufnahme ist zur Zweckerreichung in der Regel nicht erforderlich und muss ausgeschlossen sein.

4. Interessenabwägung – Schutzmaßnahmen

Ergibt die Prüfung, dass der Bodycameinsatz im o. g. Sinne geeignet und erforderlich ist, sind die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen mit den berechtigten Interessen des Verantwortlichen abzuwägen.

Da der Einsatz von Bodycams aus den eingangs benannten Gründen für die betroffenen Personen einen tiefen Eingriff in ihre Grundrechte und Grundfreiheiten bedeutet, dürfte er allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Interessenabwägung zu Gunsten der Verantwortlichen ausfällt. Dies ist der Fall, wenn mindestens die folgenden Maßnahmen getroffen werden, um den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen Rechnung zu tragen:

  • Im konkreten Einsatz (s.o.) darf die Bodycam nur dann aktiviert werden, wenn ein entsprechender Vorfall zu erwarten ist. Die Zielperson muss vor dem Einschalten der Bodycam auf die Aufnahme hingewiesen werden. Sollte sich die Situation bereits dadurch entschärfen, darf die Bodycam nicht aktiviert werden. Ein Dauerbetrieb ist unzulässig. Vorfälle sind zu dokumentieren.
  • Bei Aktivierung der Bodycam muss ein optisches Signal aktiviert werden („rote Lampe“), welches anzeigt, ob das Gerät Daten erhebt. Zudem sollten Sicherheitskräfte mit Bodycams entsprechend gekennzeichnet sein, etwa durch beschriftete Warnwesten mit Kamerasymbolen.
  • Sollte es zu einer Datenerhebung kommen, ist dies hinreichend transparent zu machen (Art. 5 Abs. 1 DS-GVO). Dabei sind die Vorgaben des Art. 12 ff. DS-GVO zu beachten (vgl. unten).
  • Eine Pre-Recording-Funktion darf nur anlassbezogen eingesetzt werden. Im Einsatzkonzept muss hierzu festgelegt sein, dass ein Pre-Recording nur bei einer drohenden Gefahr oder einer Situation aktiviert werden darf, bei der ein gewisses Gefahrenpotential besteht, das Sicherheitspersonal aber noch nicht unmittelbar eingreifen muss. Die Aktivierung der Pre-Recording-Funktion muss durch das Sicherheitspersonal angekündigt werden. Nach 60 Sekunden sind die Aufnahmen des Pre-Recording automatisiert zu löschen und dabei in einem Black-Box-Verfahren aufzubewahren. Eskaliert eine Situation, d.h. wird eine Person gewalttätig oder ist absehbar, dass eine Person mit aller Wahrscheinlichkeit gewalttätig wird und das Sicherheitspersonal eingreifen muss, kann in einer zweiten Stufe die Löschung der Voraufnahmen unterbrochen und die dauerhafte Aufnahme der Bodycam aktiviert werden. Ein permanentes anlassloses Pre-Recording ist hingegen auch dann unzulässig, wenn das erhobene Videomaterial innerhalb eines kurzen Intervalls automatisch überschrieben wird.
  • Die Aufnahmen sind in einem Blackbox-Verfahren zu speichern. Das bedeutet, dass die Aufnahmen so aufzubewahren sind, dass ein Zugriff von Unbefugten ausgeschlossen ist (Passwortschutz, Verschlüsselung, etc.).
  • Um die Sicherheit und Integrität der Aufnahmen zu wahren, sind Ort und Datum/Zeit in die Videos einzubetten. Die Videos sind zusammen mit einem Hashwert zu speichern. Damit Aufnahmen nicht manipuliert werden, ist jeder Verarbeitungsschritt zu protokollieren, insbesondere jeder Zugriff. Die aufnehmende Person darf keine Zugriffsberechtigung erhalten.
  • Der Fokus der Kamera muss so eingestellt sein, dass ein begrenzter Bildausschnitt aufgenommen und damit möglichst wenig Unbeteiligte betroffen sind.
  • Verantwortliche müssen in einem Zugriffs- und Berechtigungskonzept festlegen, wann welcher Personenkreis auf die Aufnahmen zugreifen darf. Eine Auswertung oder ein Zugriff auf die Daten darf nur zu festgelegten Zwecken erfolgen, etwa um die Aufnahmen an die zuständige Ermittlungsbehörde zu übermitteln oder um eigene zivilrechtliche Ansprüche zu begründen. Nicht benötigte Daten müssen unverzüglich, irreversibel gelöscht werden. Eine längere Speicherdauer ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Aufnahmen für die Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich sind, wie z. B. die Wahrung zivilrechtlicher Ansprüche.
  • Verantwortliche müssen die Datenerarbeitung in das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten gem. Art. 30 DS-GVO aufnehmen.
  • Der Einsatz der Bodycam muss regelmäßig evaluiert werden. Insbesondere ist festzustellen, ob und wie weit der Regeleinsatz dazu führt, dass z. B. Übergriffe auf entsprechend ausgestattetes Personal rückläufig sind.
  • Eine Tonaufnahme ist grundsätzlich unzulässig. (Ihre unbefugte Anfertigung ist nach §§ 201 Abs. 1, 201a Abs. 1 Strafgesetzbuch, § 33 Kunsturhebergesetz strafbewehrt)
  • Aufnahmen von Bodycams erlauben Rückschlüsse auf das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist in einer Betriebsvereinbarung konkret zu beschreiben und festzulegen (vgl. § 87 Absatz 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz).

IV. Transparenz

Die DS-GVO hat die Anforderungen an die Transparenz erhöht. Allein die Bekleidungsaufschrift „Videoüberwachung“ ist nicht ausreichend, um die Informationspflichten zu erfüllen. Nach Art. 13 DS-GVO müssen Betroffenen bereits bei der Erhebung umfangreiche Informationen über die Datenverarbeitung mitgeteilt werden, die weit über den bloßen Umstand der Videoüberwachung hinausgehen.

Sollte es zu Aufnahmen kommen, sind Betroffene unverzüglich in geeigneter Form über die Datenerhebung zu informieren, z. B. durch die Aushändigung eines Merkblattes, welches unter anderem über die Rechtsgrundlage und das berechtigte Interesse hinter dem Bodycam-Einsatz, die Rechte Betroffener, die Speicherdauer, beabsichtigte Übermittlungen sowie über die Kontaktdaten der oder des Verantwortlichen aufklärt. (Ausführlich: Leitlinien für Transparenz gemäß der Verordnung 2016/679, WP 260 rev.01, angenommen am 29. November 2017, zuletzt überarbeitet und angenommen am 11. April 2018).

Auch vor diesem Hintergrund ist der Einsatz einer Pre-Recording-Funktion nicht mit der gegenwärtigen Rechtslage zu vereinbaren. Beim Pre-Recording – gleich welcher Dauer – werden permanent unbeteiligte Passanten aufgenommen, ohne dass diese über den Umstand der Videoüberwachung gemäß Art. 13 DS-GVO informiert werden können oder dieser ausweichen können. Die Transparenzvorgaben gemäß Art. 5 Abs. 1, 12 ff. DS-GVO sind auch beim Pre-Recording zu beachten. Ist diese Funktion dauerhaft aktiviert, werden permanent unbeteiligte Passanten aufgenommen, ohne dass diese über den Umstand der Videoüberwachung rechtzeitig informiert werden können, um dieser auszuweichen. Auch deshalb darf die Pre-Recording-Funktion nur anlassbezogen aktiviert werden (siehe oben).