Urteil gegen automatisierte Datenanalyse in Hessen und Hamburg
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 16. Februar 2023 entschieden, dass die gesetzlichen Regelungen zur automatisierten Datenanalyse in Hessen und Hamburg verfassungswidrig sind (1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20).
Die gesetzlichen Regelungen zur automatisierten Datenanalyse in Hessen und Hamburg verstoßen nach Ansicht des Gerichts gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Eine verfassungsgemäße Ausgestaltung sei aber möglich.
Die vom Gericht verhandelten Rechtsnormen ermöglichen eine Weiterverarbeitung gespeicherter Datenbestände. Inhaltlich geht es um den Einsatz von Analyse-Software, die Daten aus den Datenbanken der Polizei zusammenfasst und auswertet.
Das Gericht stellte klar: „Werden gespeicherte Datenbestände mittels einer automatisierten Anwendung zur Datenanalyse oder -auswertung verarbeitet, greift dies in die informationelle Selbstbestimmung aller ein, deren Daten bei diesem Vorgang personenbezogen Verwendung finden.“ Dazu zählen in der Praxis nicht nur Daten von Personen, die durch Straftaten aufgefallen sind, sondern zum Beispiel auch Daten von Opfern oder Zeug*innen, deren Daten in den Polizeidatenbanken gespeichert sind. Durch die Auswertung wird neues Wissen über diese Personen generiert. Darin sieht das Bundesverfassungsgericht einen eigenen und schweren Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Personen. Den für verfassungswidrig erklärten Vorschriften fehlt es an klaren und eindeutigen Voraussetzungen und Grenzen für einen so schweren Grundrechtseingriff. Nur zum Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter und wenn eine hinreichend konkretisierte Gefahr besteht, die auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruht, sind die mit der Datenanalyse verbundenen Eingriffe verhältnismäßig.
In Hessen wird die Software von der Polizei bereits seit 2017 verwendet, hier hat der Gesetzgeber nun bis Ende September Zeit, die Rechtsgrundlage für den Einsatz neu zu regeln. In Hamburg gibt es zwar bereits eine Regelung zum Einsatz der Software, allerdings wird sie noch nicht verwendet. Die Regelung in Hamburg wurde daher für nichtig erklärt.
In Nordrhein-Westfalen setzt die Polizei eine Analyse-Software des US-Herstellers Palantir ein. Eine Vorschrift, die diesen Einsatz legitimieren soll, wurde im Frühjahr 2022 im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz (PolG NRW) geschaffen. Die LDI NRW prüft nun, welche Konsequenzen das Karlsruher Urteil für diese Regelung hat. Da sich die nordrhein-westfälische Vorschrift von den Regelungen in Hamburg und Hessen unterscheidet, ist das heutige Urteil nicht eins zu eins übertragbar. Es bestätigt aber den im Gesetzgebungsverfahren von der LDI NRW vertretenen Standpunkt.