Die Zahl der Wohnungslosen in NRW ist auf einem Rekordstand. Das hat das NRW-Sozialministerium vor Kurzem bekannt gegeben. Einer der Hauptgründe für drohende Obdachlosigkeit ist dabei die Wohnungskündigung wegen zu großer Mietrückstände. Dürfen Vermieter*innen in dieser Situation die Daten der Mieterinnen und Mietern an die Sozialbehörden übermitteln, um die kritische Lage abzufedern? Ja, unter bestimmten Voraussetzungen ist das datenschutzrechtlich in Ordnung, erklärt die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW, Bettina Gayk – und rät der Landesregierung NRW gleichzeitig zu einer Bundesratsinitiative.
„Im Interesse von guten Lösungen für beide Mietparteien ist es unter engen Voraussetzungen zulässig, wenn Vermieter*innen Daten über säumige Mieterinnen oder Mieter an die Sozialbehörden weiterleiten. Angesichts von verbleibenden Rechtsunsicherheiten darüber, welche Datenübermittlungen auf ein berechtigtes Interesse gestützt werden können, wäre aber eine klarere gesetzliche Lösung zu begrüßen“, betont Gayk. „Ich habe deshalb dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW empfohlen, die Bundesregierung auf den Bedarf für eine entsprechende Regelung hinzuweisen. Eine Bundesratsinitiative aus NRW würde ich natürlich besonders begrüßen.“
Hintergrund ist die anhaltende schwierige Entwicklung am Wohnungsmarkt in Deutschland. Nicht nur, dass bezahlbarer Wohnraum Mangelware ist. Die persönliche und insbesondere finanzielle Lebenssituation vieler Bürger*innen gestaltet sich auch zunehmend prekär. Mieter*innen sind dann mitunter nicht mehr in der Lage, ihre Miete zu bezahlen. Die Folge: ihnen droht mit der Kündigung wegen anhaltender Mietrückstände eine Räumungsklage, an deren Ende die Obdachlosigkeit stehen kann.
Im Fall einer Räumungsklage sollen die Gerichte zwar die Sozialbehörden über die drohende Räumung informieren. Zu diesem Zeitpunkt kommt die soziale Unterstützung für die Betroffenen aber meist zu spät. Damit stellt sich die Frage, ob die Vermieter*innen in solchen Situationen vorzeitig eingreifen dürfen. Konkret: ob sie bereits frühzeitig die Sozialbehörden über die kritische Lage informieren dürfen. „Meine Behörde hat sich anlässlich mehrerer Fälle und Anfragen ausgiebig mit dem Thema beschäftigt“, so Gayk. „Und wir haben nun für unseren Aufsichtsbereich klare Kriterien aufgestellt, die erfüllt sein müssen, damit die Datenweitergabe auf die gesetzliche Regelung zur Verarbeitung von Daten aufgrund eines berechtigten Interesses gestützt werden kann.“
Danach dürfen Vermieter*innen sich wegen des Ausbleibens der Mietzahlung an die zuständige Sozialbehörde wenden und Name und Anschrift der Mieter*innen sowie Informationen zur bevorstehenden Kündigung übermitteln, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- Die Voraussetzungen zur außerordentlichen Kündigung wegen Nichtzahlung der Miete liegen vor.
- Die Vermieter*innen haben die Mieter*innen zuvor darauf hingewiesen, dass sie sich an die Sozialbehörde wenden werden, wenn die Mietzahlungen weiter ausbleiben. Dabei haben die Vermieter*innen darauf hingewiesen, dass die Mieter*innen dem innerhalb einer angemessenen Frist (mindestens 2 Wochen) widersprechen können. Dies kann etwa in einem Mahnschreiben geschehen.
- Die Mieter*innen haben dem nicht innerhalb der gesetzten Frist widersprochen.
- Die Vermieter*innen haben die Mieter*innen konkret aus Anlass des Zahlungsverzugs über staatliche Hilfsangebote mindestens einmal informiert und dies dokumentiert. Die Information kann etwa mit einem Flyer und auch mit einem Mahnschreiben geschehen.
- Die Vermieter*innen dürfen aufgrund ihnen bekannter Tatsachen annehmen, dass eine Information der zuständigen Sozialbehörde geeignet sein kann, die Mieter*innen vor einer drohenden Obdachlosigkeit infolge der aufgelaufenen Mietrückstände zu bewahren.
- Den Vermieter*innen ist nicht bekannt, dass die ausbleibenden Zahlungen nicht mit einer sozialen Notlage in Zusammenhang stehen.
- Die Vermieter*innen wissen nicht, dass es zu einer eigenständigen Kontaktaufnahme der Mieter*innen mit dem Sozialamt gekommen ist.
- Die Vermieter*innen wissen nicht, dass den Mieter*innen bereits eine andere Wohnung zur Verfügung oder in Aussicht steht.
- Sollten die Vermieter*innen feststellen, dass örtliche Sozialbehörden aufgrund von Hinweisen von Vermieter*innen nicht tätig werden, sind weitere Datenübermittlungen an diese zu unterlassen.
Die Landesdatenschutzbeauftragte weist darauf hin, dass auch die Sozialbehörden von drohender Obdachlosigkeit Betroffene gern frühzeitiger über Hilfen zur Wohnungssicherung beraten würden und teils auf Kooperation mit Wohnungsbauunternehmen setzen. Gayk: „Ich hoffe, dass wir mit diesem Kriterienkatalog mehr Verlässlichkeit für Vermieter*innen wie auch Mieter*innen erreichen und würde mich freuen, wenn er als Vorlage für ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren dienen könnte.“