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Ermittlung von Fahrer*innen mittels Lichtbildabgleichs bei Ordnungswidrigkeiten

Das Anfordern eines Lichtbildes ist an enge Voraussetzungen geknüpft. Wir zeigen die gesetzlichen Vorgaben genauer auf.

Werden durch stationäre Messanlagen Geschwindigkeitsverstöße festgestellt, sind die zuständigen Behörden bestrebt, die jeweiligen Fahrer*innen der Fahrzeuge zu ermitteln. Nur gegen diese kann auf Basis des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) ein Bußgeld hinsichtlich des konkreten Verstoßes ausgesprochen werden. Anhand der fotografierten Kennzeichen sind allerdings zunächst nur Rückschlüsse auf die Halter*innen der Fahrzeuge möglich, sodass diese die erste Anlaufstelle für die Behörden darstellen. Können durch die Kontaktaufnahme mit den Halter*innen keine Erkenntnisse hinsichtlich der Fahrer*innen gewonnen werden – z.B. wenn die Halter*innen sich nicht äußern oder angeben, nicht selber gefahren zu sein – ziehen die Behörden häufig von den Personalausweisbehörden die dort hinterlegten Lichtbilder der Halter*innen oder anderen Personen heran.

Das Anfordern eines Lichtbildes ist an enge Voraussetzungen geknüpft – Beschwerden von Bürger*innen, die uns erreichen, zeigen indes, dass diese Anforderungen vielfach nicht beachtet werden.

In diesem Beitrag sollen die gesetzlichen Vorgaben genauer betrachtet werden. Zum einen soll den Bürgern*innen auf diese Weise ein Verständnis vermittelt werden, das ihnen die Kontrolle auf mögliche Datenschutzverstöße ermöglicht. Zum anderen soll er den Behörden als Richtschnur für die Wahrung der Belange des Datenschutzes dienen.

Zunächst wird im Folgenden ein Überblick über die maßgeblichen Rechtsgrundlagen gegeben (A.), bevor die Voraussetzungen für einen Lichtbildabgleich im Detail beleuchtet werden (B.). Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse (C.).

Gemäß § 24 Abs. 2 Personalausweisgesetz (PAuswG) dürfen die Personalausweisbehörden anderen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn

  1. die ersuchende Behörde auf Grund von Gesetzen oder Rechtsverordnungen berechtigt ist, solche Daten zu erhalten,
  2. die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen, und
  3. die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann oder wenn nach der Art der Aufgabe, zu deren Erfüllung die Daten erforderlich sind, von einer solchen Datenerhebung abgesehen werden muss.

Die Vorgehensweise der Behörden beim Lichtbildabgleich in Nordrhein-Westfalen ist in einem Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes NRW (43.8 – 57.04.16) vom 2.11.2010 niedergelegt. Insbesondere finden sich dort unter Ziffer 3.1.4.2 konkretisierende Hinweise zur Auslegung des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAuswG, die in der Praxis ein dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechendes Vorgehen sicherstellen sollen. Ziffer 3.1.4.2 ist dabei in Zusammenhang mit Ziffer 3.1.2 zu lesen.

Gemäß Ziffer 3.1.4.2 des Erlasses ist für ein Ersuchen um Übermittlung eines Lichtbilds stets erforderlich, dass die Betroffenen, d. h. die Personen, denen eine Ordnungswidrigkeit vorgeworfen wird, zuvor nach § 55 OWiG erfolglos angehört und – zweckmäßigerweise mit der Anhörung verbunden – auf die Möglichkeit eines Lichtbildabgleichs hingewiesen werden.

Anhörung der betroffenen Personen

Diese Anhörung hat grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Erlass begrifflich zwischen der Anhörung im Sinne von § 55 OWiG und dem Aufsuchen der betroffenen Person durch eine Ermittlungsperson als weitere Art der Datenerhebung unterscheidet. Zum anderen ist vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit staatlichen Eingriffshandelns die Art der Datenerhebung zu wählen, die den geringsten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte zur Folge hat. Einem persönlichen Aufsuchen durch Ermittlungsbeamt*innen ist jedoch regelmäßig eine größere Eingriffsintensität beizumessen, schließlich bleibt es unter Umständen ungewollt der Nachbarschaft nicht verborgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Oktober 2020, Az. 3 OWi 6 SsBs 258/20).

Die Anhörung muss schließlich auch erfolglos gewesen sein. Dies bedeutet nicht zwingend, dass die Adressat*innen sich zu dem Vorwurf nicht geäußert haben. Als erfolglos ist die Anhörung vielmehr dann anzusehen, wenn ihr Verhalten erkennen lässt, dass sie die Fahrereigenschaft nicht eingestehen möchten. Dies kann beispielsweise sowohl durch eine ausbleibende Antwort oder den Verweis auf eine andere Person als Fahrer*in geschehen. Noch nicht erfolglos ist eine Anhörung allerdings dann, wenn Halter*innen einwenden, sie könnten sich auf dem Bild nicht erkennen, und die Behörden ihnen daraufhin neue Bilder zusenden. In diesen Fällen ist bis zum Ende der Anhörungsfrist abzuwarten, ob und wie sich die Halter*innen erneut äußern, und sodann eine Bewertung vorzunehmen.

Eine Anhörung setzt ferner stets voraus, dass die betroffene Person auch tatsächlich Gelegenheit hatte, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Eine Anhörung liegt somit nicht vor, wenn das Anhörungsschreiben wegen Unzustellbarkeit zurückgesendet wird. Sie auch dann nicht erfolgt, wenn die betroffene Person im Einzelfall ausnahmsweise persönlich aufgesucht und nicht angetroffen wird.

Fahrereigenschaft nicht offensichtlich ausgeschlossen

Eine erfolglose Anhörung ist allerdings lediglich eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für das Durchführen eines Lichtbildabgleichs. Ist beispielsweise aufgrund von Alter oder Geschlecht der Halter*innen bei Gegenüberstellung mit den „Blitzerfotos“ offensichtlich erkennbar, dass sie nicht als Fahrer*innen in Betracht kommen, sind Lichtbildabgleiche mangels Erforderlichkeit nicht zulässig.

Hat eine erfolglose Anhörung stattgefunden und ist die Fahrereigenschaft der Halter*innen nicht ausgeschlossen, liegen die Voraussetzungen für einen Lichtbildabgleich vor.

Weitere Ermittlungsmaßnahmen

Kommen Halter*innen nicht als Fahrer*innen in Betracht – z.B. aufgrund des Alters oder nach der Durchführung eines Lichtbildabgleichs – können die Behörden weitere Ermittlungen zur Identifizierung der Fahrer*innen durchführen. Sie können beispielsweise auf Basis der §§ 34 a Abs. 3, 38 Abs. 2 Bundesmeldegesetz bei Einwohnermeldeämtern weitere im gleichen Haus lebende Angehörige erfragen, um anhand von Geschlecht und Alter die mutmaßlichen Fahrer*innen zu ermitteln. Erzielt die Behörde dabei einen möglichen „Treffer“, ist zu differenzieren:

Kommt beispielsweise eine Halterin aufgrund ihres Alters als Fahrerin nicht in Betracht aber ihre im Haushalt lebende Tochter, ist diese als Betroffene zunächst anzuhören und auf die Möglichkeit eines Lichtbildabgleichs hinzuweisen. Leben indes mehrere ihrer Töchter in ihrem Haushalt und kommen diese gleichermaßen als Fahrerinnen in Betracht, sind sie nicht allesamt anzuschreiben. Als weniger eingriffsintensive Maßnahme ist in einem solchen besonderen Fall das unmittelbare Anfordern von Lichtbildern zu allen drei Töchtern vorzugswürdig (vgl. drittletzter Absatz der Ziffer 3.1.4.2 des Runderlasses).

Die Anhörung der Betroffenen ist der Dreh- und Angelpunkt für die Durchführung eines rechtmäßigen Lichtbildabgleichs. Sie hat gegenüber Betroffenen stets (!) zu erfolgen – zwingend ist auf die Möglichkeit eines Lichtbildabgleichs hinzuweisen. Anders ist z. B. zu verfahren, wenn mehrere Personen aus einem Haushalt als Fahrer*innen in Betracht kommen. Ein Lichtbildabgleich ist allerdings keinesfalls zulässig, wenn bereits bei einem Vergleich der aufgenommenen Fotos mit den Halterdaten offensichtlich ist, dass die Halter*innen nicht als Fahrer*innen in Betracht kommen. Dann sind zunächst weitere Ermittlungsmaßnahmen erforderlich.