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20 Jahre Informationsfreiheit in NRW

20 Jahre Informationsfreiheit in NRW

Feste soll man feiern, wie sie fallen: Anlässlich des 20. Geburtstages des Informationsfreiheitsgesetzes NRW (IFG NRW) hat die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW (LDI NRW) in Kooperation mit dem Landtag NRW zur Diskussionsrunde geladen.

Im Landtag äußerten sich am 19. Oktober ausgewiesene Experten dabei zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft des IFG. „Das IFG NRW hat über die Jahre die Kultur im Umgang mit Informationen positiv verändert. Die Bürger*innen haben ein Instrument erhalten, mit dem sie der Verwaltung ,auf den Zahn fühlen‘ können. Die für eine Demokratie eigentlich selbstverständliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Verwaltungsentscheidungen wurde durch dieses Gesetz in NRW, das sich als ein praktisches Werkzeug bewährt hat, gewährleistet. Das IFG hat die Rechte der Bürger*innen im Verhältnis zur Verwaltung gestärkt. In Zeiten von Fake News dürfte aber auch das Interesse der Verwaltung an Transparenz und Verbreitung von Tatsachen über das eigene Handeln steigen, deshalb will ich mit dieser Veranstaltung in NRW eine Diskussion über proaktive Informationsbereitstellung und Weiterentwicklung des IFG zu einem Transparenzgesetz anstoßen. Das einst sehr moderne IFG hinkt in dieser Frage inzwischen etwas hinter der Zeit her“, so die LDI NRW, Bettina Gayk.

Offiziell heißt es „Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen“, in Kurzform: Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen. Am 27. November 2001 wurde es verabschiedet, am 1. Januar 2002 trat es in Kraft. Seitdem können die Bürger*innen in Nordrhein-Westfalen Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen beantragen, für die sie sich interessieren. Nur wenn gewichtige Belange entgegenstehen, etwa Sicherheit, Persönlichkeitsrechte Dritter oder Betriebsgeheimnisse, kann die Verwaltung den Antrag ablehnen.

(V.li.) Dr. Sina Stamm, Bettina Gayk, Andreas Wohland (Städte- und Gemeindebund NRW), Karin Holloch.

Vor mehr als 50 Gästen im Forum des Landtags NRW und weiteren Zuhörenden des Livestreams kamen ausgewiesene Experten mit praktischer Erfahrung in der Anwendung und Auslegung des IFG im Rahmen einer Podiumsdiskussion zu Wort:

Dr. Sina Stamm, Richterin am 15. Senat des OVG NRW:

„Das IFG NRW hat sich aus Sicht der gerichtlichen Praxis der vergangenen 20 Jahre bewährt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat im Rahmen der zahlreichen Entscheidungen zum IFG NRW wichtige Auslegungsfragen geklärt. Bei der Anwendung des Gesetzes hat sich gezeigt, dass das IFG NRW ein probates Instrumentarium zur Verfügung stellt, um die gegenläufigen Interessen von Auskunftsbegehrenden, öffentlichen Stellen und ggf. betroffenen Dritten zum Ausgleich zu bringen und sachgerechte Entscheidungen zu treffen.“

Dr. Marco Kuhn, Erster Beigeordneter des Landkreistages NRW:

„Für die Kommunen war der Gedanke, Öffentlichkeit und Transparenz zu gewährleisten, schon im Jahre 2001 bei Inkrafttreten des IFG nicht neu. Was in 2001 galt, gilt heute erst recht, zumal die modernen Medien den Kommunen ermöglichen, ihre jeweiligen Ansätze und Formen der Bürgerbeteiligung und Information stetig weiterzuentwickeln und für mehr Transparenz des Verwaltungshandelns zu sorgen. Dennoch hatten und haben die Kommunen teilweise Vorbehalte gegenüber dem IFG. Zentraler Kritikpunkt war und ist der mit dem IFG verbundene administrative Mehraufwand, von der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Informationszugangsbegehrens einschließlich der Klärung ggf. vorrangig zu beachtender spezialgesetzlicher Normen und möglicherweise schutzwürdiger Rechte Dritter über die Durchsicht umfangreicher Aktenbestände bis hin zu deren teilweiser Schwärzung und Ablichtung. Ein solcher Aufwand, der schon durch einzelne Informationszugangsbegehren ausgelöst werden kann, trifft Kommunen, die aufgrund ihrer oftmals desolaten Haushaltslage kaum noch Handlungsspielräume haben, unter einem erheblichen Personalmangel leiden und aktuell bei der Bewältigung gleich mehrerer Krisen bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gehen müssen. Forderungen, das IFG zu einem Transparenzgesetz weiterzuentwickeln, sehen die Kommunen deshalb mit Skepsis. Anstelle gesetzlicher Verpflichtungen sollte den Kommunen die Freiheit gelassen werden, auf der Grundlage eigener Open-Government-Strategien entwickelte Ansätze selbstverantwortlich weiterzuentwickeln.“

Karin Holloch, Transparency International, Regionalgruppenleitung NRW:

„Als das Informationsfreiheitsgesetz vor 20 Jahren in Nordrhein-Westfalen in Kraft trat, war dies ein großer Schritt in Richtung transparente und moderne Verwaltung. Seitdem ist das Gesetz nicht wesentlich überarbeitet worden. Andere Bundesländer (wie z.B. Hamburg) haben viel weitreichendere Informationsrechte für ihre Bürgerinnen und Bürger geregelt. Im Transparenzranking Deutschland (veröffentlicht von Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. und Mehr Demokratie e.V.) liegt NRW nur noch im Mittelfeld. Es mangelt an proaktiven Veröffentlichungspflichten, die Kosten für Auskünfte schrecken viele Antragstellerinnen und Antragsteller ab, und viel zu oft lehnen öffentliche Stellen das Auskunftsbegehren mit pauschalen Begründungen ab, weil gesetzlich die Ausnahmen vom Informationsrecht zur Regel erhoben worden sind. Deshalb hat Transparency Deutschland e.V. schon 2014 (gemeinsam mit Bündnispartnern von NRW blickt durch) ein Transparenzgesetz für NRW gefordert. Die gesetzgeberischen Initiativen hierzu haben leider bislang keinen Erfolg gehabt. Nötig ist ein Paradigmenwechsel von der Holschuld der Bürgerinnen und Bürger zur Bringschuld des Staates. Amtliche Informationen (wie z.B. Verträge zur Daseinsvorsorge, Gutachten, Statistiken, Verwaltungsvorschriften, öffentliche Pläne und Geodaten) müssen öffentlich und kostenlos im Internet zugänglich gemacht werden. Es ist essentiell für unsere Demokratie, dass sich staatliches Handeln durch Nachvollziehbarkeit legitimiert. Demokratie im Allgemeinen und der Kampf gegen Korruption leben von Transparenz, an der es leider nach der jetzigen Regelung in NRW mangelt.“